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Adakavas

Instandsetzung und Dokumentation des Casparini-Positivs in Adakavas, Litauen,
im Mai 2010 mit anschließender CD-Aufnahme

Das Orgelpositiv der 1793 erbauten Pfarrkirche zu Adakavas (litauisches Dorf, etwa 100 km östlich der Ostseeküste, fast am alten Weg Riga-Königsberg gelegen) wird erstmals in einem Inventar dieser Kirche von 1804 als in Königsberg erbautes neues Werk mit 7 Registern erwähnt.  Durch Vergleich baulicher Details mit anderen Orgeln gesicherter Autorschaft (u.a. Bauart der Windlade, Pfeifengeometrie, Pfeifenbeschriftungen) kann das Instrument dem Königsberger Meister Adam Gottlob Casparini (1715 - 1788) zugeschrieben werden. Wohl zwischen 1770 und 1785 ist es in der Werkstatt des Meisters, eventuell unter Mitwirkung eines Schülers (wobei vor allem an Christoph Wilhelm Braweleit (1752 - 1796) zu denken wäre) entstanden.

Die Löbenichtsche Hospitalkirche zu Königsberg besaß vor dem Zweiten Weltkrieg ein fast baugleiches Instrument, von dem eine Abbildung erhalten ist. Vermutlich vertreten beide Werke einen Instrumententyp, den Casparini in seiner Werkstatt als eine Art Serieninstrument mehrfach anfertigte.  Wir wissen, daß es auch in Coadjuthen (jetzt Katyiai/Litauen) ein ähnliches Orgelwerk gegeben hat. Das Instrument in Adakavas ist heute das einzige erhalten gebliebene Instrument dieser Bauart.

Die musikalische Idee der Orgel ist äußerst interessant. Disposition und Mensuren sind so gewählt, daß das Instrument trotz geringer Gehäuseabmessungen und somit der Möglichkeit variabler Aufstellung einen raumfüllenden, großen Klang besitzt und sich damit wesentlich vom kammermusikalischen Charakter anderer Positive des 18. Jahrhunderts unterscheidet.

Als der Orgelbaumeister und Musikwissenschaftler Rimantas Guas aus Vilnius 1985 mit der Restaurierung des Orgelpositives begann, fand er es in einem schlechten, fast unspielbaren und bereits veränderten Zustand vor. Das Untergehäuse war gekürzt worden, die originale Balganlage nicht mehr vorhanden. Verloren gegangen war auch das Trommelregister, das ursprünglich aus 2 Holzpfeifen, welche oben im Gehäuse angebracht waren, bestand. Außerhalb des Gehäuses war für das Register Flet Major 8 eine Pfeife für den Ton Cis hinzugefügt worden.

Während der Restaurierung durch die Orgelbauwerkstatt des staatlichen Betriebes für die Denkmalpflege Litauens ( VEB Litrestaurierung) unter Leitung von Rimantas Guas, die 1987 abgeschlossen werden konnte, wurde das Untergehäuse der Orgel in den alten Abmessungen rekonstruiert. Im Untergehäuse fand ein moderner Schwimmerbalg Aufstellung, an den ein selbst gebauter, leider sehr geräuschvoll arbeitender Elektrowinderzeuger, der auf dem Dachboden Platz fand, angeschlossen ist. Windlade, Mechanik und Pfeifenwerk sind vorsichtig repariert worden. Die nachträglich hinzugefügte Cis-Pfeife wurde entfernt, während die gut gebaute Manualklaviatur des 19. Jahrhunderts und die zusätzliche Registrieranlage an der linken Gehäuseseite beibehalten wurden.

Verschmutzung, Verschleiß, unsachgemäße Wartung, eine undichte Windlade sowie Trocknungsschäden an den Holzpfeifen hatten dazu geführt, daß die Orgel reichliche 20 Jahre nach ihrer Restaurierung nur noch mit großen Einschränkungen musikalisch einsetzbar war. 

Die Orgelwerkstatt Wegscheider / Dresden (Kristian Wegscheider, Matthias Weisbach und Friedemann Schwarzenberg) hat darum im Mai 2010 eine sorgfältige Reinigung und Instandsetzung der Orgel durchgeführt. Im Zuge der Arbeiten wurde das Instrument exakt vermessen und dokumentiert, so daß später die Anfertigung einer Kopie möglich ist.  Intonateur Ryan Albashian machte nachweisbare klangliche Veränderungen am sehr gut erhaltenen Pfeifenwerk rückgängig und stimmte die Orgel nach Johann Georg Neidhardts Temperatur 1 (1724)  für das Dorf ein.

Das gesamte Projekt wurde für die Kirchgemeinde Adakavas kostenlos durchgeführt und von der Orgelwerkstatt Wegscheider und dem Baltischen Orgel Centrum e.V. Stralsund initiiert und finanziert.  CD-Aufnahmen entstanden am Tag der Wiedereinweihung der instandgesetzten Orgel, Krzysztof Urbaniak und Martin Rost spielten Werke von Buxtehude, Böhm, Bach u.a. ein.

Das Orgelpositiv in Adakavas ist ein Instrument von enorm hohem kulturellem und historischem Wert. Es ist derzeit das einzige vom Pfeifenwerk her fast vollständig und unberührt gebliebene Instrument aus der Werkstatt Adam Gottlob Casparinis, das spielbar und in seinem ursprünglichen Klangcharakter erlebbar ist.  Gleichzeitig ist es momentan überhaupt das einzige Orgelwerk des 18. Jahrhunderts aus der Königsberger Tradition, welches sich in gutem Zustand befindet und einen Eindruck geben kann von der hohen technischen und musikalischen Qualität der ostpreussischen Barockorgeln.

Mit der Dokumentation der besonderen Klangqualität der Orgel in Adakavas auf dieser CD ist darum der Wunsch verbunden, daß es gelingen möge, weitere erhalten gebliebene Instrumente Casparinis und seiner Schüler, aber auch der Danziger Orgelbauer Andreas Hildebrandt und Friedrich Rudolf Dalitz, die sich in desolatem und unspielbarem Zustand befinden, in alter Schönheit wiederherzustellen.  Der Erlös des Verkaufs der über das BOC e.V. publizierten CD ist für die Restaurierung der Hildebrandt-Orgel zu Paslek (ehem. Preussisch Holland) bestimmt, die fachlich vom  Baltischen Orgel Centrum e.V. betreut wird.

 

Martin Rost

 

Fotos:

 

Casparini-Positiv in Adakavas

Intonateur Ryan Albashian bei der Arbeit

Disposition der Orgel         

 

Manual C,D-c3

Flet Major. 8p.
F8
Undemaris. 8p.
U       c1-c3 
Principal. 4p. 
P
Flet Minor. 4p.
F4
Quinta[.] 3p Q
Octava. 2p.
O
Mixtura. 1/2p.
M

 

Bemben (Trommel) nicht erhalten

mechanische Schleiflade

Schwimmerbalg im Untergehäuse; Elektrowinderzeuger

(urspr. 2 Keilbälge)

Stimmtonhöhe: a=461 Hz


Temperierung: Neidhardt I (1724) ‑Dorf

Wilkommen  
  Herzlich Wilkommen auf der Internetpräsenz des Baltischen Orgel Centrums e.V.